Lehrbuch zur Immobilienbewertung
Unter Berücksichtigung der ImmoWertV und der Sachwert-Richtlinie
Goetz Sommer / Ralf Kröll
734 Seiten, gebunden, € 89,00
Bücher Werner Verlag
4., überarb. und erw. Aufl. 2013
ISBN 978-3-8041-3092-0
Wer unter diesem Titel ein dröges Schulbuch zu einem sperrigen Thema erwartet, wird bitterlich enttäuscht sein. Die Autoren Sommer und Kröll sind langjährig erfahrene Wertermittler, die sich Ihre Begeisterung für dieses Thema bewahrt haben und es schaffen, diese auf den Leser zu übertragen.
In frischer und lebendiger Sprache führen die Autoren den Leser zunächst an die Welt der Immobilienwertermittlung heran, später, in einer zweiten Runde tief hinein.
Jeder Themenkreis wird dem Leser mit einführenden Worten vorgestellt. Anschließend werden Methodik und Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens Schritt für Schritt dargestellt, erklärt und begründet. In diesem Zusammenhang werden die theoretischen Grundlagen beschrieben und erforderliche rechtliche Hinweise gegeben. An passender Stelle verdeutlicht ein plastisches Beispiel die Theorie. Es wird dann das Verfahren in einer Musterrechnung Schritt für Schritt abgearbeitet. Derjenige, der gewohnt ist, diese Berechnungen in Tabellenform aufzustellen mag sich über die Darstellung im Fließtext wundern. Aber so ist es möglich, die einzelnen Rechenschritte mit erklärenden Anmerkungen logisch miteinander zu verknüpfen. Wie überhaupt der Gedanke „nachvollziehbar für den Laien (= Lernenden) und nachprüfbar für den Fachkundigen“ sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch zieht. Schließlich folgt eine Aufgabe zur Selbstprüfung. Deren Lösung ist nach dieser Vorbereitung problemlos möglich. Im Anhang (in Kapitel 21) werden Lösungshinweise zu den insgesamt mehr als 40 Selbstkontrollaufgaben gegeben. Eine kurze Zusammenfassung schließt dann den Themenkreis ab.
Im Bereich „Grundlagen“ werden die in der ImmoWertV beschriebenen Verfahren, die so genannten „genormten Verfahren“ auf über 90 Seiten in ihrer jeweiligen Grundform dargestellt.
Anschließend werden auf über 340 Seiten Sonderaspekte, Spezialfälle und besondere Instrumente der Wertermittlung sowie weitergehende Überlegungen im Bereich „Vertiefung“ vorgestellt.
Dass hierbei ausgerechnet das so wichtige und häufig vorkommende Thema „Rechte und Belastungen“ mit Ansage, also bewusst ausgelassen wird, verwundert und enttäuscht den Leser, bis er herausgefunden hat, dass hierzu Ralf Kröll gemeinsam mit Andrea Hausmann ein eigenes Buch unter dem Titel „Rechte und Belastungen bei der Verkehrswertermittlung von Grundstücken“ im Werner-Verlag herausgebracht hat.
Dafür wird u. a. das Ertragswertverfahren in seinen verschiedenen Varianten ausführlich dargestellt. Das vielen Orts so toll gepriesene internationale DCF-Verfahren wird als dynamisierte Unterversion des guten alten Ertragswertverfahrens entmythisiert.
Auch an dieser Stelle schätzen die Autoren die sachverständige Auswertung der eigenen Marktbeobachtung deutlich höher ein als die „amtlichen Veröffentlichungen“ der jeweiligen Gutachterausschüsse, wie Kaufpreissammlungen oder Liegenschaftszinssätzen, deren Ergebnisse sie nur im Notfall und auch dann nicht ohne Anpassung / Korrektur anwenden mögen. Genau so vorsichtig sind sie bei Anwendung der in der Literatur benannten Liegenschaftszinssätze, die sie eigentlich nur für Plausibilitätskontrollen akzeptieren wollen. Bemerkenswert ist hierbei die Auswahl der Quellen. Neben dem unvermeidlichen Kleiber werden noch Sommer, Gottschalk und andere mehr benannt und zitiert, Sprengnetter, der mit seiner Loseblattsammlung laufend aktualisierte Werte liefert, aber nicht. – Warum nicht?
Süffisant und fundiert begründet nehmen Sommer /Kröll die verbreitete Sprachschlamperei aufs Korn, von Liegenschaftszinsen zu sprechen, wenn tatsächlich aber der Liegenschaftszinssatz gemeint ist.
Im Weiteren fehlt weder die Darstellung der mathematischen und statistischen Basis. – Manche sagen „Fachrechnen“ dazu. – Noch fehlen Hinweise zum geltenden Wertermittlungsrecht, soweit es nicht schon in den Fachabschnitten besprochen wurde.
Im folgenden Abschnitt kommt das Kernstück der Immobilenbewertung: Die Gutachtenerstellung! Auf über 160 Seiten wird der Aufbau des Wertgutachtens bis ins Detail dargestellt. Ausführlich werden alle erforderlichen Parameter abgeleitet und deren Einfluss auf das Ergebnis erläutert. Es wird verständlich, warum viele Sachverständige im Zusammenhang mit der Gutachtenerstattung von einem schöpferischen Akt sprechen.
Hilfreich sind hier die vier Mustergutachten. – Wer nun aber glaubt, diese blind und schablonenhaft gleich für seine Fälle übernehmen zu können, hat die Lehre dieses Buches nicht begriffen und sollte mit seinem Studium noch einmal von vorne beginnen.
Der Anhang enthält die wichtigsten Tabellenwerte, die vollständige ImmoWertV und die relevante Passage des BauGB, eine kommentierte (!) Synopse mit der aktuellen ImmoWertV und der voran gegangenen WertV `88. Das Stichwortverzeichnis ist verbesserungsfähig. Die Idee, zu den Stichworten das entsprechende Kapitel zu benennen ist sinnvoll. Es würde aber die Suche reduzieren, wenn zusätzlich die Seitenzahl genannt würde, auf der dieses Kapitel dann beginnt. Es erscheint jedoch übertrieben, wenn im Stichwortverzeichnis Begriffe auftauchen, die an der angegebenen Stelle nur als Begriff innerhalb einer Aufzählung einmal erwähnt werden, wie beispielsweise der „Beleihungswert“.
Dieses Lehrbuch vermittelt nicht nur Fachkenntnisse und Arbeitstechniken sondern auch Denkweisen, die den Sachverständigen für die Wertermittlung bebauter und unbebauter Grundstücke ausmachen. Damit ist es für verschiedene Zielgruppen geeignet:
- Für den Einsteiger ist es ein durchaus ein Selbststudium zulassendes Lehrbuch.
- Für den Anfänger ist es dann ein Leitfaden für die ersten eigenen Arbeiten.
- Für den Erfahreneren ist es ein Ratgeber bei seltneren Fragestellungen.
- Für den Routinier bietet es so manches Mal die etwas andere Blickweise.
Wer sich auf dieses Werk einlässt muss wissen, dass nun eine Zeit der langen Abende und kurzen Nächte angebrochen ist. Das Buch macht richtig Arbeit – und das ist auch gut so!
Die Qualität dieses Werkes fordert geradezu nach Fortsetzung und Ergänzung:
- Band 2: Die Themenkreise Beleihungswert, Einheitswert, Versicherungswert, …, Mieten und Pachten, Monte-Carlo-Verfahren usw.
- NHK 1913 – 2010, 100 Jahre NormalHerstellKosten, Eigenschaften – Ansätze – Denkweisen – Methoden – Arbeitsschritte – Vorschriften. Oder anders gesagt. „Alles was Sie schon immer über NHKs wissen wollte, aber niemals zu fragen wagten!“
Sicher, das gibt es alles schon irgendwo auf dem Markt – aber nicht in dieser Güte!
http://shop.wolterskluwer.de/wkd/shop/sh...r-verlag,55515/